Jun 05

Eigentlich gebe ich nicht sonderlich viel auf irgendwelche Zertifikate, die gewisse technische Skills bescheinigen sollen, häufig genug aber nur Teilnahmebescheinigungen einer Schulung sind. Na gut, es gibt sicher auch eine Menge ausgesprochen anspruchsvolle Zertifizierungen und ich will deren Sinnhaftigkeit auch gar nicht in Frage stellen, nur habe ich für mich bisher wenig bis keine Veranlassung gesehen, mich für irgendwas zertifizieren zu lassen. Potentielle Auftraggeber wollen üblicherweise vor allem Projekterfahrung sehen, was in einen kleinen Teufelskreis führen kann: wie bekomme ich Projekterfahrung in bestimmten Skills, wenn ich zum Anwenden dieses Skills erstmal Projekterfahrung nachweisen soll?

Wie auch immer, vor gut zwei Jahren war ich mal in der glücklichen Situation, den Softwarestack für eine neu zu entwickelnde (Java-basierte) Web-Anwendung nahezu völlig frei auswählen zu dürfen. Im „Unterbau“ gab es für mich keine Gründe, von Altbewährtem wie Spring und Hibernate abzurücken, aber für den UI-Layer hatte ich doch ein paar spezifische Anforderungen. Es sollte einerseits einen modernen Anstrich haben mit AJAX usw., andererseits wollte ich mich so wenig wie möglich mit Javascript und auch mit HTML beschäftigen müssen. Nicht, dass ich das nicht auch könnte, wenn ich wollte, aber wenn ich die Wahl habe, verzichte ich gerne darauf. Die Wahl fiel auf Vaadin, was dem Entwickler erlaubt, komplett in Java zu bleiben. Auf der UI-Seite kommt GWT zum Einsatz, d. h. das benötigte Javascript wird generiert. Die Einarbeitung ging, vor allem dank der sehr ordentlichen Dokumentation, ziemlich schnell und die Anwendung nahm schnell Formen an. Damals gab es noch keinen offiziellen Spring-Support, sodass ich mir mit einem Add-on (von denen es zahlreiche für die verschiedensten Bereiche gibt) behelfen musste. Etwas frickelig war dann noch das Styling. Zwar muss man sich nicht mit blankem CSS herumplagen, sondern kann die Vorzüge von SCSS nutzen, aber manche Komponenten ließen sich einfach nicht bzw. nur sehr umständlich wie gewünscht stylen. Das hat sich wohl mit neueren Versionen von Vaadin bzw. mit dem neuen Standard-Theme verbessert, aber da bin ich noch nicht tiefer eingetaucht.

Nach Abschluss des Projekts gab es zwar immer mal wieder kleinere oder größere Erweiterungen an der Anwendung, aber vorwiegend fachlicher Natur, d. h. am technischen Setup hat sich nichts mehr Wesentliches geändert. Die weitere Vaadin-Entwicklung verfolge ich dennoch interessiert, denn wenn sich die Gelegenheit wieder bietet, würde ich das gerne wieder einsetzen.

Eine Zertifizierung als Vaadin-Entwickler, die die Firma Vaadin seit längerer Zeit anbietet, war mir dennoch nicht wichtig genug, um dafür Geld auszugeben. Vor ein paar Monaten gab es aber eine „free certification week“, in der man gratis an der Online-Prüfung teilnehmen konnte. Die Gelegenheit wollte ich dann doch nutzen, aber da ich das erst am letzten Tag mitbekam, hatte ich quasi keine Vorbereitungszeit. Die Prüfung ist ein Multiple-Choice-Test über sämtliche Aspekte des Vaadin-Frameworks, wobei nur eine begrenzte Zeit pro Frage zur Verfügung steht und jeweils eine oder mehrere Antwortmöglichkeiten richtig sein können. Dafür, dass ich in meinem bisher einzigen Vaadin-Projekt längst nicht alles genutzt habe, was das Framework anbietet, und mich dementsprechend nur mit einer Teilmenge detaillierter beschäftigt habe, habe ich mich ganz wacker geschlagen und den Test bestanden. Zum Bestehen waren 60% korrekte Antworten nötig und ich kam auf 64% – fühlte sich ein bisschen an wie früher in der Schule, wenn ich nicht für eine Klassenarbeit gelernt hatte und gerade so durchkam. 😉 Jedenfalls kein Resultat, mit dem ich hausieren gehen würde, aber nachdem ich im Forum das hier las, fühlte ich mich etwas besser:

„The test is quite hard, and only approx 20% of people pass the exam and not even Vaadin Ltd employees pass it on their first try“

Wenn man dann noch bedenkt, dass von angeblich 150.000 Vaadin-Nutzern nur 441 zertifiziert sind (Quelle: vaadin.com, Stand 01.06.2015), ist das ja vielleicht doch etwas wert.

Ich bin zertifiziert

written by Gunnar Schmid \\ tags: ,